Der Gang durch die Historie, zu dem die Ausstellung einlädt, orientiert sich an den fünf prägenden Phasen der Klostergeschichte, denen jeweils ein Zimmer der ehemaligen Schultheißenwohnung gewidmet ist: zunächst der nach drei vergeblichen Versuchen 1178 endlich gelungenen Gründung, dann der Klostergeschichte in staufischer Zeit und der nachhaltigen Förderung des Chorherrenstifts nicht zuletzt durch Kaiser Barbarossa, anschließend daran der Blüte der Gemeinschaft im 14./15. Jahrhundert und deren Untergang im Deutschen Bauernkrieg 1525 sowie in der sich anschließenden Reformationszeit und schließlich seinem Fortleben zunächst als protestantischem Kloster, dann als kirchlicher Bildungsanstalt und zuletzt als Prälatur bis zum Ende des alten Reiches 1806.
Im ersten Raum soll eigentlich die sich anfänglich schwierig gestaltende Gründung eines Klosters bei Adelberg thematisiert werden: Der Gründer Volknand von Toggenburg – oder auch nach seiner Stammburg: Volknand von Ebersberg – hatte 1171 zunächst Zisterzienser ansiedeln wollen, die aber den auf der Höhe und wasserfern gelegenen Platz wieder aufgaben. Auch die Berufung von Prämonstratensern aus Rot a.d. Rot missglückte, da Volknand den Mönchen wohl zu wenig Rechte einräumen wollte. Erst als die Prämonstratenser-Abtei Roggenburg (Landkreis Neu-Ulm) 1178 einige ihrer Chorherren entsandte, wurde die Besiedlung dauerhaft. Doch die sinnvolle und sonst konsequent beachtete chronologische Darstellung wird an dieser Stelle unterbrochen. Die Texttafeln zur Geschichte der Besiedlung des Schurwaldes und der sich dort überschneidenden Herrschaftsgebiete der Staufer und Zähringer, der Herren von Teck und Aichelberg sowie die Würdigung der zur Zeit der Klostergründung 1178 dort bereits existierenden älteren Ulrichskapelle (Weihe 1054) samt Nachfolgebauten gehören als Hintergrundsinformation zwar unzweifelhaft zum Thema, doch der unerwartete und reichlich unvermittelte Sprung zur Gerichtsbarkeit des Klosters, für die unter dem Titel Schuld und Sühne ein Sühne-Steinkreuz steht, will an dieser Stelle nicht recht einleuchten. Auch Sinn und Funktion des großen Kloster-Marksteins sowie einiger Zeugensteine, die einst unter Marksteinen bzw. an nur den Untergängern oder den Marksteinsetzern bekanntem Ort verborgen waren, bleibt etwas im Dunklen.
Der Gründungsraum des Klosters Adelberg bleibt so ein Zwitter, der den Besucher zunächst etwas orientierungslos lässt. Die synoptische Darstellung markanter Daten aus der Klostergeschichte sowie Phasen der deutschen und württembergischen Geschichte auf einer Tafel mit dem – sicher selbstironisch zu verstehenden Titel Umbilicus mundi, Adelberg also als Nabel der Welt, vermittelt am Beginn des Rundgangs einen willkommenen Überblick über die folgenden Jahrhunderte und führt vor, dass die Adelberger Klostergeschichte keineswegs isoliert zu betrachten ist, sondern sich in das Geflecht regionalen und überregionalen Geschehens einfügt. Ob allerdings Papst Leo IX., in Egisheim im Elsaß geboren und einer der wenigen deutschen Päpste, nur deshalb die Ulrichskapelle nicht selbst weihte, weil er kurz zuvor von den im Mittelmeer operierenden Normannen gefangengenommen und bald nach seiner Rückkehr in Rom gestorben war, nimmt der weniger lokalpatriotisch gesinnte fremde Besucher mit Schmunzeln zur Kenntnis. Sollte der Nabel der Welt doch nicht ganz so ironisch gemeint sein?
Festen Boden unter den Füßen gewinnt die Ausstellung und damit auch der Besucher im folgenden Barbarossa-Raum, wo die erste Blüte der jungen Abtei – infolge nachhaltiger Förderung vor allem durch das Haus Hohenstaufen – angesprochen ist. Der Gründer Volknand, als Vetter Barbarossas selbst ein naher Stauferverwandter, diente wie bereits sein Vater dem Kaiserhaus als Ministerialer, nämlich als procurator, als höchster Verwalter in der Provinz also.
Auch die Berufung von Prämonstratensern, jenem Orden, dem Kaiser Friedrich I. so nahe stand, wird man als Ausdruck dynastischen und politischen Kalküls - eben zugunsten der Staufer – sehen müssen. Waren doch Klostergründungen und Schutzvogteien beliebte und bewährte Mittel zur politischen Durchdringung vor allem noch wenig besiedelter Räume wie etwa des Schurwalds. Ein Foto des bekannten Cappenberger Kopfes, jenes Geschenks Barbarossas an seinen Taufpaten Otto von Cappenberg, den Abt der ersten Prämonstratenser-Niederlassung auf deutschem Boden, versinnbildlicht und unterstreicht diese auffällige, historisch bezeugte Vorliebe Barbarossas für den Reformorden. Mit Informationen zum Orden der Prämonstratenser und ihrem Gründer, dem heiligen Norbert von Xanten, nimmt die Ausstellung im Barbarossa-Raum somit den thematischen Faden des ersten Raumes wieder auf.
Dass Kaiser Friedrich I. dann am 25. Mai 1181 dem Kloster Adelberg ein Schutzprivileg ausstellte – in der Klostervilla präsent als Faksimile in einer Vitrine – und ihm 1187 oder 1188, also am Vorabend des Kreuzzuges, von dem Barbarossa ja nicht zurückkehren wird, auch einen Besuch abstattete, war nicht mehr als konsequente Fortsetzung einer bereits eingeleiteten Entwicklung. Wenn Barbarossas jüngster Sohn, der eigentlich zunächst für eine geistliche Laufbahn vorgesehene spätere König Philipp von Schwaben, eine schulische Ausbildung in Adelberg erhielt, so unterstreicht dies die Bedeutung, die das junge Kloster für das schwäbische Herrscherhaus gehabt haben muss.
Die Förderung des Adelberger Klosters, das bis ins 15. Jahrhundert kirchenrechtlich nur eine Propstei, also ein Filialkloster und keine selbständige Abtei war, durch großzügige Stiftungen und Schenkungen seitens der Staufer erstaunt somit nicht. Auch der ohne Nachkommen gestorbene Gründer Volknand hatte seinen Besitz den Adelberger Prämonstratensern vermacht. Aus der Fülle weiterer Legate sei nur die Stiftung eines Hofes in Oberesslingen durch die Frau Philipps von Schwaben, der gebildeten und einflussreichen byzantinischen Prinzessin Irene – angeordnet auf dem Totenbett – erwähnt; diese Stiftung wird auch in der Ausstellung samt der Übersetzung des lateinischen Urkundentextes aufgeführt.
Prämonstratenser unter württembergischem Schutz – Späte Blüte um 1500, kurz vor der Reformation
Nach dem Untergang des staufischen Hauses konnten die Grafen von Württemberg neben so vielem anderem auch die Schutzvogtei über das Kloster Adelberg erwerben. Unter württembergischem Schutz – man könnte auch Herrschaft sagen – erlebte das Kloster seine glanzvollste Zeit, sowohl in wirtschaftlicher wie geistiger Hinsicht. Die Regierungszeiten der Äbte Berthold Dürr (1460-1501) und Leonhard Dürr (1501-1538) stellten einen Höhepunkt der rund 350 Jahre dauernden Klostergeschichte dar. Unter Abt Berthold erfuhr das 1441 zur Abtei erhobene Kloster eine vollständige Erneuerung, die sich nicht nur in zahlreichen Neubauten, darunter auch der Ulrichskapelle, ausdrückte, sondern ebenso in geistiger Hinsicht, etwa der Intensivierung der Seelsorge in den inkorporierten Pfarreien und der Verbesserung des Unterrichts im Konvent. In seine Regierungszeit fiel auch die letzte Blüte der Adelberger Schreibkunst. Seine Innovations- und Baufreudigkeit ließen Berthold gleichsam zum zweiten Gründer Adelbergs werden.
Freilich fand unter Abt Berthold auch die erzwungene Übersiedlung der Adelberger Prämonstratenserinnen in das Dominikanerinnenkloster in Lauffen am Neckar statt, womit das letzte schwäbische Doppelkloster ein Ende fand. Die Gründe für die Verbannung der Nonnen nach Lauffen sind nicht ganz klar. Graf Ulrich V. von Württemberg, der Schutzherr des Klosters, dessen einzige Tochter Katharina dort Priorin war, soll sie vor allem betrieben haben. Ganz freiwillig scheinen die frommen Damen nicht gegangen zu sein; jedenfalls ließ sich Katharina 1497 nicht in Lauffen, sondern in Adelberg begraben.
Nah beieinander lagen Licht und Schatten in der Zeit von Bertholds Nachfolger Abt Leonhard, einem in Tübingen und in dem oberitalienischen Ferrara ausgebildeten Doktor beider Rechte. Am Vorabend der Reformation zählten nicht weniger als 10 Dörfer, 19 Weiler, 37 Höfe und 22 Mühlen zum Besitz des Klosters, wozu noch viele weitere Einzelgüter in mehr als hundert Orten traten. Das kapitalkräftige Kloster vermochte sogar den Fuggern und Kaiser Karl V. Geld zu leihen. In diesen Abschnitt fallen der Erwerb und die Aufstellung des großartigen Hochaltars in der Ulrichskapelle – in der Ausstellung durch zwei seltene heilige, Sta. Cutubilla und St. Liborius, vertreten -, und sogar eine eigene Bildhauerschule entstand um 1510 in Adelberg. Von deren Wirken zeugt wahrscheinlich der – wohl in der Reformation – arg malträtierte Kopf eines Heiligen, dem die Nase abgeschlagen wurde: Damnatio memoriae, die Auslöschung der Erinnerung, dürfte das Ziel dieser Verstümmelung gewesen sein.
Abt Leonhard musste allerdings auch noch das Ende der Abtei Adelberg erleben, zuerst die Aktionen der aufständischen Bauern 1514 und 1525 und schließlich die Einführung der Reformation in Württemberg unter Herzog Ulrich (1534): Das Haus Württemberg legte Hand an die Klöster in seinem Territorium, sandte evangelische Lesemeister in die Mönchsgemeinschaften, um dort das Evangelium zu unterrichten, erließ später eine Unterrichtsordnung für die Klosterschulen und regelte die konfessionelle Zugehörigkeit schließlich endgültig in der Großen Württembergischen Kirchenordnung um 1559. Kloster Adelberg erhielt sechs Jahre später den ersten evangelischen Abt, wurde bis zur vorübergehenden Restitution an die katholische Kirche (1629 – 1648) zur Niederen Grammatistenschule, an der zeitweise übrigens auch der junge Johannes Kepler unterrichtet wurde. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs wurde diese Bildungsanstalt nicht wiederbelebt, sondern in den ehemaligen Klostergebäuden eine der vier württembergischen Generalsuperintendenzen mit einem Prälaten an der Spitze eingerichtet. Das Kloster war zum kirchlichen Verwaltungssitz geworden. Nach dem Ende des alten Reiches verschmolz das adelbergische Kirchengut in der napoleonischen Zeit mit dem württembergischen Landesvermögen, wurde gleichsam säkularisiert.
Die Dokumentation der Blüte des 14./15. Jahrhunderts musste in der ehemaligen Schultheißenwohnung in einem vergleichsweise kleinen Raum Platz finden. Texttafeln, Pläne und Graphiken an den Wänden beherrschen das Bild. Die erwähnten Altarfiguren und der verstümmelte Heiligenkopf stellen dazu das nötige dreidimensionale Anschauungsmaterial dar, ergänzt durch ein Modell des Klosterareals, wie es sich im Spätmittelalter präsentierte, als die große Abteikirche und andere klösterliche Bauten, die seither abgingen, noch standen.
Inszenierung: Aufständische Bauern verwüsten die Abtei – In evangelischer Zeit Sitz eines Superintendenten
Den bewegten Ereignissen des 16. Jahrhunderts, sprich dem Ende der klösterlichen Gemeinschaft, wurde hingegen viel Platz eingeräumt. Ein gewisses Übergewicht zugunsten reformationsgeschichtlicher Zusammenhänge will insofern angemessen erscheinen, als die Klosteranlage ja bis 1806 von der neuen Konfession, also protestantisch genutzt wurde. Da der Schwerpunkt bei der Geschichte der Reformation liegt, dominieren an den Wänden die – teils erheblich vergrößert reproduzierten – für jene Zeit so typischen Holzschnitte mit oftmals propagandistischem Inhalt. In ihnen spiegeln sich notwendigerweise eher der Zeitgeist des frühen 16. Jahrhunderts, denn der genius loci und Adelberger Ereignisse in jener Zeit. Die mit Pappkameraden inszenierte Geschichte – aus der Feder von Hans Sachs – vom bibelfesten Schustergesellen, der im theologischen Wortstreit mit einem Prämonstratenser die Oberhand behält, ist zwar hübsch, hat aber konkret wenig mit Adelberg und seinem Kloster zu tun.
Etwas versteckt, aber bodenständiger und höchst aufschlussreich erscheint der Hinweis bezüglich der Bestrafung der an der Plünderung Adelbergs beteiligten Nachbarn auf einer der vielleicht ein klein wenig zu ausführlich ausgefallenen Texttafeln. Wenn beispielsweise ein Jehlin Müller eine Scheuer des Klosters abbrach und hernach bei sich wieder aufrichtete, so war dies mehr als nur spontanes Plündern. Offenbar rechnete man nicht mehr damit, dass die alten Gewalten wieder die Oberhand erlangen könnten. In diese Richtung deutet auch die Teilnahme des Verwalters des Adelberger Pfleghofs in Göppingen an den Plünderungen.
Ausgeglichen wird dieser Mangel durch zwei massige, die Blicke unweigerlich auf sich ziehende Inszenierungen. Bäuerliches Arbeitsgerät ragt da wie Spieße und Waffen über Abbruchsteinen und verkohlten Balken in die Höhe: ein Sinnbild der Verwüstung der Abtei durch die aufständischen Bauern 1525. Zum anderen wurden hinter einem schwarzen, moskitonetzartigen Schleier auf einem Tisch neben verschiedenen Lebensmitteln ausgestopftes Wildbrett sowie ein Kalb mit verdrehten Augen und heraushängender Zunge aufgetürmt. Diese zweite Inszenierung steht für das sogenannte Laetare-Mahl, das die Abtei jährlich dem Schorndorfer Magistrat zu bereiten hatte zum Dank für die Aufnahme der Adelberger Chorherren hinter den schützenden Mauern der Stadt, als die Bauern des Gaildorfer Haufens heranrückten. Abt Leonhard flüchtete übrigens mit dem Klosterschatz in die entgegengesetzte Richtung: nach Geislingen an der Steige. Dieses Laetare-Mahl, das auch noch in protestantischer Zeit und letztmals 1753 gereicht wurde, entwickelte sich im Lauf der Zeit zur bauchspannenden Völlerei; eine Tatsache, die sich beim Anblick der drastischen Inszenierung gut nachvollziehen lässt. Die sehr gelungene Darstellung ließ übrigens zartbesaitete Besucher auch schon einmal murren in Sorge um das Gemüt ihrer Kinder, was nun doch reichlich überzogen erscheint!
Die Schilderung derKlostergeschichte, die sich im 16. Jahrhundert so dramatisch gestaltete, klingt schließlich im folgenden und letzten Raum der Ausstellung harmonisch aus und vermag auch jene besänftigen, die lieber nur die positiven Seiten der Vergangenheit sehen wollen. Die wohl noch immer etwas weltabgeschiedene evangelische Prälatur versahen zeitweise so markante Persönlichkeiten der württembergischen Kirchengeschichte wie Johann Valentin Andreä und Andreas Osiander, der spätere Hofprediger in Stuttgart.
Eher den Realien zugewandt war der Prälat und Generalsuperintendent Balthasar Sprenger (1724 – 1791), der sein geistlich-politisches Amt – die Prälaten waren mit Sitz und Stimme in den Landständen vertreten – mit naturwissenschaftlichen Studien und Forschungen im Sinne der Aufklärung zu verbinden verstand. Sein Interesse galt unter anderem dem Feld- und Weinbau; auch unternahm er als erster Deutscher Versuche, Schaumwein herzustellen. Neben einer weiteren Inszenierung, bei der Champagnerflaschen natürlich nicht fehlen durften, ist sein Wirken durch eine Auswahl seiner Schriften dokumentiert, darunter mehrere hundert Seiten starke landwirtschaftliche Handbücher, die der Kirchenherr nebenher verfasste.